Muscle Memory bringt Dich zurück in Form
von Isabelle Allstadt, 11/23, Lesezeit: 4 Minuten
Das Gedächtnis unserer Muskeln, auch „Muscle Memory“ genannt, ist ein weit verbreiteter Begriff. Es beschreibt die Fähigkeit der Muskulatur, bereits ausgebildete Zellen zu reaktivieren, obwohl eine längere Pause gemacht wurde. So erlangen Sportler, die vor einer Bewegungspause regelmäßig trainiert haben, schneller wieder ihre ursprüngliche Muskelmasse im Gegensatz zu Menschen, die nicht trainiert haben. Die Muskelzellen des Sportlers „erinnern“ sich durch die Aufnahme gewohnter Bewegungen an ihren ursprünglichen Zustand und bilden sich leichter dorthin aus. Wie genau der Muscle Memory Effekt funktioniert und wofür er nützlich ist, erfährst Du in unserem Blog.
Mechanismus hinter dem Muscle Memory
Wie funktioniert der Mechanismus, durch den unsere Muskeln nach vorher ausgeführten Bewegungsmustern schneller ihre Zellen regenerieren können, obwohl diese lange Zeit nicht mehr aktiv waren? Für die Erklärung des Effekts gibt es verschiedene Ansätze.
- Epigenetische Faktoren: Es wird davon ausgegangen, dass die Fähigkeit der Genexpression ermöglicht, muskuläre Anpassungen an frühere Trainingserfolge vorzunehmen.
- Zellkerne: In Deinen Muskeln werden bereits vorhandene Zellkerne gespeichert und bei der Wiederaufnahme Deines Trainings reaktiviert – unabhängig von der Pausenlänge Deines Trainings.
- Neurologisch: Dein Gehirn erinnert sich an bestimmte Bewegungsmuster, dies ist jedoch als motorisches Lernen zu bezeichnen und vom Muscle Memory zu differenzieren.
Was sind Effekte des Muscle Memory?
Durch konstantes Training baut Dein Muskel Muskelzellen auf, die Du im Training nutzt. Wenn durch eine Operation, beruflichen Stress oder aus anderen Gründen gezwungenermaßen eine Trainingspause eintritt, kommt dem Muscle-Memory-Effekt eine wichtige Rolle zu. Diese Zellkerne verschwinden nämlich nicht, sondern werden beim Wiederaufbau der Muskelmasse bei Aufnahme des Trainings wieder aktiviert. Dadurch beschleunigt sich in vielen Fällen der Wiedereinstieg in den Sport, wenn Du bereits vielseitig trainiert hast.
Wie schnell greift Muscle Memory?
Unser Körper beginnt nach ungefähr zwei Wochen Trainingspause Muskelzellen abzubauen. Wie schnell der Muscle Memory Effekt eintritt, wenn Du wieder Sport machst, ist von Person zu Person unterschiedlich. Es kommt hierbei auf verschiedene Faktoren an, die den effektiven und schnellen Muskelwiederaufbau nach einer Sportpause beeinflussen:
- Häufigkeit des Trainings: Je häufiger wir eine Bewegung oder Sportart betätigen, desto schneller reagiert das Muskelgedächtnis auf die Reize. Regelmäßige Wiederholungen sind essenziell, damit sich Abläufe gemerkt werden. Einen Ablauf kann man sich vorstellen, wie die Entstehung eines Trampelpfades. Je häufiger ein vorher unbeschrittener Weg begangen wird, desto zugänglicher und öfter wird er langfristig benutzt.
- Dauer des Trainings: Wie lange Du eine bestimmte Bewegung durchführst, hat ebenfalls Einfluss auf Dein Muskelgedächtnis. Dauer und Intensität des Trainings beeinflussen die Ausbildung Deines Muscle Memories.
- Konzentration und Aufmerksamkeit: Wenn Du Dich beim Training auf die exakte Ausführung Deiner Übungen fokussierst, wird auch Dein Muscle Memory gefördert.
- Variation des Trainings: Eine fundierte Entwicklung Deines mentalen Gedächtnisses erfolgt, wenn Du vielseitig trainierst. Führst Du verschiedene Variationen einer bestimmten Bewegung und Aktivität aus, bildet Dein Muskel variabel Muskelzellen aus.
- Dauer Deiner Trainingspause: Je länger Du pausierst, desto länger dauert es, an Deinen aktuellen Zustand zurückzukommen. Aber durch Dein Muscle Memory ist dies immer schaffbar.
- Pausen und Ruhezeiten: Erholung ist im Training das A und O. In dieser Zeit haben Deine Muskeln Zeit zu regenerieren und Du vermeidest Verletzungen.
Muscle Memory ist entscheidend für Reha-Training
Nach einer verletzungsbedingten Sportpause ist durch Immobilisation meist ein deutlicher Muskelverlust vorhanden. Der erneute Aufbau der Muskulatur stellt im Anschluss daran eine Herausforderung dar, wenn man bislang wenig trainiert hat. Anders sieht es aus, wenn Du regelmäßig Krafttraining oder andere Trainings machst. Als Sport- und Fitnesstrainer kannst Du das Muskelgedächtnis Deiner Kunden perfekt vorbereiten.
Da vorhandene Muskelzellen bei Sportunterbrechung nicht verschwinden, sondern trotz Phasen der Immobilisation bestehen bleiben, kann davon ausgegangen werden, dass durch trainiertes Muskelgewebe und dem routinierten Muscle Memory, deutlich schneller Muskeln wieder aktiviert werden können. Es wird angenommen, dass Atrophie kein degenerativer und regressiver Prozess ist und die Muskelfasern nicht abtrainiert werden, sondern die Zellkerne erhalten bleiben. So werden nämlich Zellen, die bereits ausgebildet sind, beim Ausführen eines Stimulus wieder aktiviert – der Effekt des Muscle Memory. Athleten erzielen in der Rehabilitation dank des Muscle Memory Effekts so schneller einen sichtbaren Erfolg, als Menschen, die weniger Sport gemacht haben. Training lohnt sich!
Muskeltraining als wichtige Grundlage
Wenn Du regelmäßig Krafttraining oder andere Sportarten betreibst, sind Dein Körper und Deine Muskeln an ausgeführte Sportübungen gewöhnt. Somit kostet es Dich weniger Energie und Anstrengung, diese wieder aufzubauen. Das Muskelgedächtnis reduziert unsere Lernzeit nach einer langen Bewegungspause. Da unsere Muskelzellen bereits ausgeprägt sind, müssen wir den Aufbau der Muskelzellen nicht ganz von vorne beginnen. Durch die Speicherung der Muskelfähigkeiten gelingt es uns dauerhaft präzise zu arbeiten und zu agieren. Während der Muscle Memory Effekt auf epigentischen Prozessen basiert, werden gespeicherte Bewegungsabläufe dem motorischen Lernen zugeschrieben. Dieser sorgt dafür, dass wir nach einer langen Pause bestimmte Bewegungen, wie zum Beispiel Fahrrad fahren oder Schuhe binden nicht vergessen.
Stressbewältigung und Selbstvertrauen durch Muscle Memory
Die Gewissheit, sich auf den Erfolg des im Vorhinein diszipliniert durchgeführten Trainings verlassen zu können, führt zu einem gesunden Selbstvertrauen. Selbst wenn eine Verletzung oder Pause erfolgt, hast Du nicht umsonst mühsam Deine Muskeln aufgebaut. Denn unsere Muskeln greifen auf vorherige Erfahrungen zurück und können sich an ihre einstige Leistungsfähigkeit erinnern. Durch die Muskelkraft, die bereits in Dir steckt, ist Dein Körper bei der Rückkehr in den Sport zudem weniger Stress ausgesetzt, da er auf vorhandene Strukturen zurückgreift.
Die genannten Punkte heben die Wichtigkeit eines regelmäßigen Krafttrainings hervor. So kann präventiv einer langwierigen Rehabilitationsphase entgegengewirkt und die Basis des Muscle Memory Effekts gelegt werden. Als Medizinischer Fitnesstrainer, kannst Du medizinisch angelehntes Training anleiten kannst.
Wiedereinstieg in den Sport
Insgesamt ist das Muskelgedächtnis ein wichtiger Helfer in der Reha und grundsätzlich in der Ausführung von körperlichen Aktivitäten. Es beschleunigt den Genesungsprozess, den Aufbau Deiner Muskelzellen und stellt die Bewegungsfähigkeit wieder her. Jedoch ist zu beachten, dass der Körper trotz Muscle Memory Zeit für die Regeneration braucht. Knüpfe Schritt für Schritt wieder an alte Erfolge an. Jeder Genesungsverlauf ist individuell und hat ein eigenes Tempo. Versuche deshalb langsam in Deinen gewohnten Sport zurückzukehren und gib Deinen Muskeln Zeit, sich wieder an die intensive Belastung zu gewöhnen.
Passend dazu findest Du hier unsere Podcastfolge zum Thema Muscle Memory!
Über Isabelle Allstadt
Isabelle Allstadt ist freiberufliche Autorin für die Deutsche Sportakademie. Als approbierte Psychotherapeutin interessiert sie sich u.a. für den Zusammenhang von Sport, Fitness und psychischer Gesundheit. In ihren Artikeln verbindet sie ihr Fachwissen als Therapeutin mit praktischen Tipps für ein gesundes und ausgeglichenes Leben.