Female Fitness - Training, Ernährung und Lifestyle
Jennifer Gutwald, 04/23, Lesezeit: 4 Minuten
Frauen im Sport – ein Thema, das in der Vergangenheit oft vernachlässigt wurde. Jahrzehntelang wurde angenommen, dass Frauen aufgrund ihres Geschlechts nicht für körperlich anspruchsvolle Aktivitäten wie Sport geeignet seien. Aus genau demselben Grund ist heutzutage ein großes Interesse an frauenspezifischer Forschung im Sport gewachsen, denn: Frauen haben einen Uterus und damit einhergehend einen Menstruationszyklus. Das unterscheidet sie natürlich von der Physiologie des Mannes und wir stellen uns die Frage: Können wir das in der Trainingsplanung und in der Ernährung berücksichtigen und vielleicht sogar davon profitieren?
„Women are not small men" ist ein bekanntes Zitat der Ernährungswissenschaftlerin Dr. Stacy Sims, die sich dafür einsetzt, dass ein neues Bewusstsein für die physiologischen Besonderheiten von Frauen im Sport entsteht. Jahrelang wurden Frauen anhand von Trainingsempfehlungen für Männer gecoacht - und das, weil schlichtweg kaum Forschung an Frauen betrieben wurde. Gerade mal 6 % aller Studien in den Sport- und Bewegungswissenschaften wurden ausschließlich mit Frauen durchgeführt!
Zyklusbasiertes Training – mehr als nur ein Trend?
In der Fitnesswelt gibt es immer wieder neue Trends und Ansätze, die versprechen, die Effektivität des Trainings zu verbessern. Einer der neuesten Trends ist das zyklusbasierte Training, welches die Sporteinheiten an die hormonellen Schwankungen im Menstruationszyklus angleicht und bessere Performance, eine verringerte Verletzungsanfälligkeit und schnellere Erfolge verspricht. Was zunächst einmal sehr revolutionär und vielversprechend klingt, wird in der Sportwissenschaft noch mit Vorsicht gehandhabt. In verschiedenen Untersuchungen konnte auf jeden Fall gezeigt werden, dass das subjektive Erleben des Trainings durchaus in Zusammenhang mit den Zyklusphasen gebracht werden kann und auch die körperliche Leistungsfähigkeit scheint von den Hormonen beeinflusst zu werden.
Auch aus vielen Erfahrungsberichten, die sowohl von Hobbysportlerinnen als auch von namhaften Leistungssportlerinnen stammen, geht hervor, dass insbesondere die zweite Zyklusphase mit einer verminderten Leistungsfähigkeit gekennzeichnet ist. Warum also nicht das Training daran anpassen? Konkrete Aussagen oder Trainingsempfehlungen gibt es bislang jedoch nicht. Ein „individueller Approach an das Training mit Berücksichtigung des Menstruationszyklus” kann allerdings sehr sinnvoll und vorteilhaft sein, so auch die Aussage in einer Meta-Analyse über zyklusbasiertes Training (Stand 2020).
Der Lehrgang Female Fitness Performance Coach richtet sich daher an alle TrainerInnen und Sportbegeisterten, die mit der Physiologie der Frau arbeiten möchten und einen personenbezogenen und vor allem individuellen Ansatz verfolgen möchten. In der Fortbildung betrachten wir nicht nur das Training als einzig isolierten Baustein von weiblicher Performance, sondern wir sprechen über alle Faktoren, welche die Trainingsleistung beeinflussen und zu menstrueller Gesundheit beitragen können. Fakt ist, dass zu guter Trainingsleistung mehr dazu gehört als nur ein smartes Trainingsprogramm.
Trainingsplan für Frauen - im Einklang mit Deinem Körper
Wusstest Du, dass Frauen im Sport andere Voraussetzungen haben als Männer? Es gibt verschiedene Faktoren, die das Training, die Trainingsleistung und den Trainingserfolg von Frauen beeinflussen.
Der Menstruationszyklus
Die hormonellen Veränderungen im Verlauf des Zyklus beeinflussen den Stoffwechsel, die Regenerationsfähigkeit und auch Verletzungsanfälligkeit in den verschiedenen Phasen. Woran liegt das? Der Menstruationszyklus kann in zwei Phasen eingeteilt werden. Die erste Phase ist die Follikelphase. Sie startet mit dem Tag der Blutung, welcher als Zyklustag 1 gekennzeichnet wird. Im Laufe der Follikelphase steigt der Östrogenspiegel sukzessive an und hat seinen Peak kurz vor dem Eisprung. Dieser findet tatsächlich nicht immer am 14. Zyklustag statt, wie in vielen Grafiken fälschlicherweise dargestellt wird – vielmehr entscheiden eine Mehrzahl an Einflussfaktoren, wann genau das Ei springt. Somit ist die Länge der ersten Zyklusphase variabel!
Hat der Eisprung stattgefunden, beginnt die zweite Zyklusphase, nämlich die Lutealphase. Sie ist durch einen exponentiellen Anstieg des Hormons Progesteron gekennzeichnet und dauert in der Regel immer 12-14 Tage. Ein wichtiger Marker der Lutealphase ist, dass hier eine potenzielle Schwangerschaft ausgetragen werden kann. Demnach ist es also sehr logisch, dass der Körper den Bewegungsdrang und auch das Immunsystem runterfährt, um eine sichere Umgebung für das werdende Baby zu schaffen. Das wiederum spiegelt sich häufig in der sportlichen Leistungsfähigkeit wider: Viele Frauen berichten, dass sie in der Lutealphase schwächer sind und die Trainingsleistung abnimmt. Eine von drei Frauen berichten zudem von Symptomatiken wie Wassereinlagerungen, Rückenschmerzen, Migräne, Stimmungsschwankungen und Blähbauch – auch bekannt als PMS (Prämenstruelles Syndrom).
Vergleichen wir das mit dem biologischen Rhythmus eines Mannes, so ist klar, dass die hormonellen Schwankungen einer Frau sehr viel Einfluss auf das Training und den Alltag haben können. Als Konsequenz bietet es sich an, das Training dahingehend zu optimieren, dass Beschwerden weniger häufig auftreten und körperliche und mentale Bedürfnisse während der Lutealphase berücksichtigt werden. Darüber hinaus gibt es noch weitere geschlechterspezifische Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Verteilung der Muskelmasse und der Muskelfasern
Die Muskelkraft der Frau beträgt durchschnittlich 70 % der Muskelkraft des Mannes. Das bedeutet nicht nur, dass Frauen generell schwächer sind als Männer, sondern auch, dass sie im Verhältnis zum relativen Körpergewicht weniger Kraft aufbringen können. Vergleicht man die muskuläre Verteilung zwischen den Geschlechtern, so fällt auf, dass Frauen im Unterkörper mehr Masse besitzen als im Oberkörper (bei Männern ist es umgekehrt). Das liegt daran, dass die anatomisch breitere Beckenstellung der Frau mehr Muskelvolumen trägt und damit einhergehend mehr Kraft entwickeln kann. Umgangssprachlich wird dieses Phänomen auch als Unterkörperdominanz der Frau beschrieben. Was bedeutet das nun in der Praxis? Besonders bei untrainierten Frauen zeigen sich relativ schnell Trainingseffekte in der Oberkörpermuskulatur. Durch die Verteilung der Muskelmasse müssen Frauen aber im Beintraining besonders Gas geben, um einen adäquaten Trainingsreiz zu setzen.
Tatsächlich gibt es auch Unterschiede in der Zusammensetzung der Muskulatur zwischen Männern und Frauen. Muskelfasern sind einzelne Zellen, aus denen die Muskulatur aufgebaut ist: Typ-II Muskelfasern sind schnelle, glykolytische Fasern und arbeiten bei Kraftübungen in einem hohen Wiederholungsbereich bei einer Belastungsintensität von 70 % der 1RM (1 Repetition Max). Typ-I Fasern hingegen zeichnen sich durch einen hohen oxidativen Metabolismus aus. Das bedeutet, sie sind ermüdungsresistenter und arbeiten vor allem in einem hohen Wiederholungsbereich. Die Art und Anzahl der Muskelfasern, die ein Individuum besitzt, sind teilweise genetisch bedingt, können aber auch durch Training beeinflusst werden. Frauen scheinen jedoch von Geburt an eine größere Anzahl an Typ-I Muskelfasern zu besitzen. Was bedeutet das nun in der Praxis? Frauen kommen mit mehr Trainingsvolumen zurecht und können sich von umfangreichen Trainingseinheiten schneller erholen als Männer. Ein Trainingsplan im Kraftsport für Frauen darf sich also gerne Mal im hochrepetitiven Bereich (15-20 Reps) bewegen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir in der Art und Weise, wie wir das Training planen und durchführen, definitiv einen Unterschied in den Geschlechtern machen dürfen. Wie genau das aussieht, und welche Lifestyle- und Ernährungsfaktoren zudem eine wichtige Rolle in der Trainingsleistung als auch Gesundheit bei Frauen spielen, lernst Du in der Female Fitness Performance Coach Weiterbildung.
Über Jennifer Gutwald
Jennifer Gutwald ist Fitnesstrainerin & Gesundheitsberaterin und auf die Physiologie der Frau spezialisiert. Nach dem Sportstudium gründete sie Pro Strength und widmet sich seitdem der Female Performance und Gesundheit im Kraftsport. An der Deutschen Sportakademie ist sie Dozentin für den neu konzipierten Lehrgang Female Fitness Performance Coach.