Regeneration im Sport – worauf kommt es an?
Interview mit Eckhart Acker, 05/23, Lesezeit: 7 Minuten
Reicht regelmäßiges Training allein aus, um leistungsfähig zu sein? Worauf kommt es an und warum sind Regenerationsphasen so wichtig für unseren Körper? Wie lange dauert Muskelregeneration und welche Unterschiede sollten bei den verschiedenen Trainingsarten berücksichtigt werden? Über all diese Fragen haben wir ausführlich mit Eckhart Acker, unserem Dozenten und Experten für Athletik und funktionelles Training, gesprochen. Er erklärt, worauf es ankommt, und gibt hilfreiche Tipps.
Was genau bedeutet eigentlich Muskelregeneration und für wen ist sie wichtig?
Muskelregeneration kann man nicht als einzelne Einheit definieren. Es reicht nicht, die Muskulatur als alleinstehenden Bereich anzusehen, dazu gehören auch unser Stoffwechsel und das vegetative und das zentrale Nervensystem. Es ist ein großes Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren.
Muskelregeneration ist für jede Person wichtig, die leistungsfähig sein und diese Leistungsfähigkeit weiter ausbauen möchte. Während und nach jeder sportlichen Aktivität spielen sich verschiedene Prozesse ab: Es entstehen minimale Muskelverletzungen, es findet Laktatabbau statt, unser Blutzuckerspiegel verändert sich. Muskelkater beispielsweise ist ein wichtiges Signal, denn das bedeutet, dass unser Körper die Muskeln repariert, sie stärkt und wir anschließend ein höheres Niveau erreichen können und auf weitere Belastungen von außen wieder besser reagieren können. Das bedeutet aber nicht, dass nur Training mit anschließendem Muskelkater effektives Training ist.
Jede Person hat ein individuelles Leistungsniveau, das durch Muskeltraining belastet wird. Durch diese Aktivität ermüdet der Körper. Genau diese Ermüdung wiederum ist aber wichtig, weil sich unser Körper an die Belastung anpasst und dadurch schließlich Muskeln aufbaut und somit auch leistungsfähiger wird. Unser Körper passt sich an, man spricht hier auch von dem Superkompensationsmodell. Um es umgangssprachlich zu formulieren: Man geht stärker aus der Sache raus, als man reingegangen ist. Es ist vor allem wichtig zu bedenken, dass dieser Vorgang nicht von jetzt auf gleich passiert. Es bedarf Zeit und vor allem Erholungs- bzw. Anpassungszeit.
Warum ist Muskelregeneration aus Deiner Sicht unerlässlich?
Ganz einfach: Ohne geht es nicht! Man kann die Muskulatur nicht unendlich belasten, Erholung ist essenziell für unseren Körper. Nur die Kombination aus Belastung UND Erholung macht uns leistungsfähig. Wir müssen unseren Energiespeicher auffüllen und auch unser Hormonhaushalt muss sich regenerieren. Das betrifft zum Beispiel Wachstumshormone, aber auch unsere Blutwerte und den Laktatspiegel, die sich alle wieder anpassen müssen. Das ist ein essenzieller Teil in unserem biologischen System und nur durch Belastung und Entlastung können wir leistungsfähig sein.
In Bezug auf Entlastung können wir auch nicht nur unseren Körper betrachten, es geht auch um den Kopf, also um mentale Entspannung. Körper und Kopf können Stress nicht dauerhaft ausgesetzt sein, deshalb gibt es auch Wochenende und Urlaube, die uns als Ruhephasen dienen sollen. Sport und Aktivitäten bedeuten Stress für den Körper, aber an dieser Stelle sprechen wir von positivem Stress und der ist wichtig, genauso wichtig wie Pausen. Denn wenn man keine Pausen hat, wird Stress für uns chronisch und chronischer Stress ist immer negativ! Im schlimmsten Fall kann chronischer Stress zu einer Erschöpfungsdepression führen. Es ist also essenziell, dass sich unser vegetatives und zentrales Nervensystem auf Belastung einstellt.
Dabei spielt auch der Darm eine große Rolle, denn auch Ernährung und Verdauung sind wichtig. Bei chronischem Stress funktionieren Verdauung und der Blutzuckerspiegel nicht richtig, dadurch können schließlich Gewichtszunahme und Verdauungsproblemen ausgelöst werden, weil eben alles in unserem Körper zusammenspielt und nicht komplett unabhängig voneinander gesehen werden kann.
Worauf sollte bei der Einplanung von Trainingspausen geachtet werden?
Generell ist zu sagen, dass Pausen sehr wichtig sind, egal ob es um Sportarten wie Tennis, Fahrradfahren, Kraftausdauertraining oder Training im Fitnessstudio geht. Man kann sagen, dass eine Trainingseinheit ca. eine bis eineinhalb Stunden dauert, dazwischen werden kleine Pausen gemacht.
Wenn wir mit verschiedenen Sätzen oder Wiederholungen trainieren, ungefähr 30 Sekunden. Im reinen Krafttraining sind die Pausen etwas länger. Unser Stoffwechsel muss sich erholen, Phosphate und Kreatinphosphate brauchen nur 90 Sekunden, um sich wieder aufzubauen und für neue Belastung bereit zu sein. Beim Maximalkrafttraining sind wieder andere zeitliche Abstände zu beachten. Es geht um sehr hohe Lasten und wenige Wiederholungen, deshalb brauchen wir an dieser Stelle deutlich mehr Erholung. Weil die Belastung so hoch ist, sollte man drei bis fünf Minuten zwischen den einzelnen Sätzen einplanen.
Wenn wir jetzt von einzelnen Trainingseinheiten rauszoomen und beispielsweise die ganze Woche betrachten, kann man sich für die Trainingspausen an ungefähre Zeiträume halten. Die genaue Länge der benötigten Pausen ist natürlich individuell und von unterschiedlichen Faktoren abhängig: Alter, Geschlecht, wie leistungsfähig ist eine Person? Manche Menschen erholen sich nach Trainingseinheiten schneller als andere. Wie ist der mentale Zustand, was passiert gerade auf der Arbeit, wie ernähre ich mich, trinke ich Alkohol, sogar die Jahreszeit wirkt sich auf unsere Körper aus. All diese Faktoren machen es somit schwer, einen bestimmten, festen Zeitraum zu definieren, aber als Faustregel gilt: Nach dem Kraftausdauertraining sollte man eine Regenerationsphase von ca. 48 Stunden einplanen, um anschließend wieder qualitativ hochwertige Einheiten durchführen zu können. Bei reinem Muskeltraining ist die Belastung höher, weshalb die Trainingspause länger sein sollte, ca. 72 Stunden. Vor allem, wenn wir qualitativ hochwertige Einheiten durchführen wollen, ist die Einhaltung von Trainingspausen von großer Bedeutung, sodass wir nicht unnötig trainieren. Bei Maximalkraftsport geht es um sehr hohe Belastungen, das bedeutet Stress für unser ganzes System, Herz-Kreislauf- und Muskelsystem brauchen drei bis vier Tage Belastungspause, um die Anpassungsprozesse vollständig hinter sich zu lassen. Das heißt, alle Entzündungsprozesse sind abgeschlossen und Energieträger sind wieder vorhanden. Auch das Nervensystem ist dann wieder belastbar.
Es ist wichtig, dem Körper immer eine gewisse Zeit zwischen den einzelnen Trainingseinheiten zu geben. Grundsätzlich ist es wichtig, auf sich und seinen Körper zu hören, denn jeder Mensch ist anders und hat individuelle Bedürfnisse. Es kann sogar durchaus sein, dass man sich, abhängig von Leistungsfähigkeit, Alter usw. am nächsten Tag schon wieder bereit für sportliche Aktivitäten fühlt.
Worauf kommt es bei der Regeneration nach dem Krafttraining an?
Ein großer und vor allem wichtiger Faktor ist, dass überhaupt auf die Regeneration geachtet wird. Wer leistungsfähig und stärker sein möchte, muss unbedingt auf Ruhe und Pausen achten. Aktive und passive Erholung ist hierbei das Stichwort. Bei der aktiven Erholung wird der Stoffwechsel in Bewegung gesetzt, zum Beispiel durch Fahrradfahren. Auch Abbauprozesse in den Zellen werden dadurch angekurbelt. Aktive Erholung bedeutet beispielsweise Gehen oder Fahrradfahren, lockeres Joggen, alles mit wenig Intensität, um das Kreislaufsystem in Bewegung zu halten. Das ist wichtig, um sozusagen die „Abgase” aus dem Körper zu befördern und neuen, frischen Sauerstoff in ihn zu bringen. Dadurch wird der Blutkreislauf angeregt und dem Körper energetisches Blut zugeführt.
Wichtig nach dem Krafttraining ist also, dass man mit einer aktiven Regeneration beginnt. Das fördert auch die Schlafqualität, dadurch kann das Nervensystem herunterfahren und die körperliche Erholung kann schneller eintreten.
Was ist für Dich unerlässlich, wenn es um Muskelregeneration geht?
Für mich ist der Blick aufs große Ganze unerlässlich. Es kommt nicht nur auf die muskuläre Regeneration an, sondern auch auf das Nervensystem. Es kann beispielsweise helfen, ruhige Musik zu hören, um den Blutdruck und den Kopf runterzufahren. Für mich ist es wichtig, eine ruhige Stimmung zu schaffen, hier verweise ich gerne wieder auf das Stichwort Individualität. Mir hilft es in Regenerationsphasen zum Beispiel vor allem auch draußen zu sein, in der Natur, in der Sonne und dabei verschiedene Atemtechniken auszuprobieren. Der Parasympathikus ist essenziell für die Regeneration, und fährt durch oben genannte Beispiele runter. Der Parasympathikus muss gestärkt werden, um den Regenerationsprozess anzukurbeln.
Was sind Deine Tipps für eine effektive Erholung nach dem Sport?
Mein größter Tipp: qualitativ guter Schlaf! Guter Schlaf ist so wichtig, denn das ist die Grundbasis für Erholung und die wichtigste Erholungsmaßnahme. Dabei ist es nicht erheblich, wie lange man schläft, sondern die Qualität des Schlafes. Die wird beeinflusst durch unsere Ernährung, Alkohol, Licht, Bildschirmzeit. Wichtig ist, dass man ein gutes Setup für sich selbst findet, in dem die verschiedenen Faktoren berücksichtigt werden.
Wenn die Schlafqualität gut ist, kann man sich über den Rest Gedanken machen. Beispielsweise, wie man aktive Erholung gestalten möchte. Vielleicht mal eine neue Sportart ausprobieren. Wenn der Fokus auf dem Krafttraining liegt, ist mein Tipp zwischendurch auch mal Tennis zu spielen oder Fahrrad zu fahren, Golf zu spielen... es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten.
Natürlich ist auch unsere Ernährung nicht außer Acht zu lassen. Eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung ist hier das Stichwort. Also nicht nur Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett, sondern vor allem auf Mikronährstoffe achten. Auch die Regeneration der Knochen und Gelenke ist ein wichtiger Teil einer effektiven Erholung nach Sport. Das kann man zum Beispiel mit Massagerollen, Dehnübungen oder Mobilitätseinheiten machen.
Zudem sollte die passive Erholung nicht zu kurz kommen. Das kann man wunderbar durch Massagen machen oder durch Saunagänge die Blutgefäße erweitern und dadurch Abbauprozesse weiter voranzutreiben.
In den letzten Jahren sind auch Eisbäder, Kältebäder oder Kältekammern ein großes Thema geworden. Wichtig ist aber, wie diese eingesetzt werden. Aus meiner Sicht ist es nicht unbedingt sinnvoll, sofort nach dem Training ein Eisbad zu nehmen. Wir brauchen Entzündungsprozesse als Reaktion des Körpers, um stärker zu werden. Die muskulären Anpassungsprozesse sollten hervorgehoben werden und dafür brauchen wir die Entzündungen. Diese werden durch die Kälte unterbunden. Es gibt aber natürlich auch Ausnahmesituationen. Wenn man am nächsten Tag wieder bereit und leistungsfähig sein muss, hilft es, den Entzündungsprozess durch ein Eisbad zu stoppen.
Ansonsten würde ich empfehlen, Kältebehandlungen zeitlich versetzt einzusetzen, um den Stoffwechsel und die Sauerstoffzufuhr zu verbessern und Endorphine auszuschütten. Abschließend ist es mir wichtig, nochmal darauf hinzuweisen, dass muskuläre Regeneration nicht einzeln gesehen werden darf. Man muss immer den Gesamtkontext betrachten, mit allem, was dazu gehört: die mentale und körperliche Verfassung, Schlaf, Ernährung, Job, Familie und so weiter. Training und Erholung führen zum Erfolg, aber nur in Kombination!
Über Eckhart Acker:Eckhart Acker ist staatl. geprüfter Sportlehrer, Athletik Coach u.a. für Eishockey & Tennis, Seminarleiter für Fitness und Bewegung sowie Experte für Athletik Training und funktionelles Training. Er ist Gründer und Inhaber von EA PERFORMANCE COACHING und coacht Profisportler und Alltagsathleten und begleitet sie auf dem Weg zum Erfolg.
Wissen ist nur halb so viel wert, wenn man es nicht teilt. Daher bietet er Seminare, Inhouse-Schulungen und Workshops an, um Wissen und Erfahrung mit anderen zu teilen und neue Menschen kennenzulernen. Von 2014 bis 2020 war er Athletiktrainer der NÜRNBERG ICE TIGERS, die in der höchsten deutschen Eishockey-Liga der DEL spielen. Seine Leidenschaft ist es, in der Natur zu sein, in der Sonne, auf dem Berg oder mit dem Rennrad die Straßen entlang. Bewegung gehört zu ihm wie die tägliche Dosis Sonnenschein.