Mentale Stärke im Sport
Blockaden überwinden und Höchstleistungen bringen
von Jacqueline Beier, Absolventin Sport-und Fitnesstrainer & Personaltrainer
Warum erklimmen wir die Gipfel der höchsten Berge, wenn unsere Muskeln eigentlich schon lange müde sind? Warum laufen wir über die Ziellinie eines Wettkampfes, obwohl wir einst mittendrin Schmerzen in den Muskeln hatten, die Lungen bei jeder Atmung brannten? Warum spüren wir, dass wir noch ein wenig mehr aus uns herausholen konnten, obwohl wir kurz dachten, wir seien am Limit? All diese Leistungen können wir mit mentaler Stärke erreichen. Durch den Glauben an uns selbst und daran, was unser Körper leisten kann.
Die Kraft unserer Gedanken – warum mentale Stärke so entscheidend ist
Unsere Gedanken bewirken etwaige Reaktionen in unserem Körper, die wir direktspüren können. Angst und Unsicherheit verkrampfen unsere Muskeln, hemmen unsere Atmung. Sicherheit und Selbstbewusstsein entspannt diese Vorgänge und lässt uns fokussiert an den Start gehen. Unsere Gedanken sind also dementsprechend die Zündschnur zu unserem Können, es liegt an uns, diese zu entfachen oder nicht.
Wichtig während eines Wettkampfes ist natürlich die körperliche Fitness, das vorangegangene Training und die verschiedenen Anpassungsvorgänge in unserem Körper. Entscheidend ist aber – und das vor allem in der Schlussphase, in der der Körper eventuell an seine Grenzen stößt - die mentale Stärke. Energie folgt den Gedanken. Das bedeutet, lenken wir unsere Gedanken in positive Bahnen, programmieren wir unser Gehirn sozusagen um. So kann uns dies in den Stresssituationen des Alltags, am Ende eines Wettkampfes und in jeglicher heiklen Situation nützlich sein. Du weißt genauso gut wie ich, wie beflügelnd leicht es ist, in eine Situation hineinzugehen, von der man weiß, man hat sie bereits sehr gut in der Vergangenheit absolviert. Gehen wir jedoch mit dem Gedanken „Das kann ich nicht“ hinein, behindern wir uns selbst. Siegen, durchhalten und Konflikte meistern beginnt also in unserem Kopf. Spitzensportler haben dies schon lange mit in ihren Alltag integriert und absolvieren mentales Training. Der Fußballclub liegt 0:2 hinten und es sind nur noch 10 Minuten zu spielen? Kopf in den Sand stecken, oder die Brust stählern, kämpfen und das Blatt womöglich wenden? Genau hier greift die mentale Stärke ein.
Negative Gedanken blockieren uns. Blockieren unsere Konzentrationen, unseren Fokus und schwächen uns in unserem Tun. Natürlich ist niemand völlig frei von negativen Gedanken, das wäre auch nicht menschlich. Werden wir uns jedoch über unsere Gedanken bewusst und lernen Strategien, in heiklen Situationen damit umzugehen, können wir diese auch im Alltag für uns nutzen.
Mentale Stärke mit Emotionen festigen
Das Wort Emotion stammt vom lateinischen „movere“ = bewegen. Der Zusatz „e“ verändert die Bedeutung des ursprünglichen Wortes und macht es zu „emovere“, was so viel bedeutet wie: herausbewegen, emporsteigen. Im Wort der „Emotion“ steckt zudem das lateinische Wort „motio“ drin, was für Bewegung, Erregung steht. Deshalb geht es bei Emotionen um das Heraus- und Fortbewegen. Das heißt im Klartext: Emotionen bewegen uns. Egal in welcher Hinsicht, Freude spornt und an, negative Gefühle können jedoch ebenfalls zu unserer Gunst – vor allem im Sport – genutzt werden.
Ich selbst bin ein sehr emotionaler Läufer. Nach negativen Situationen, Streitereien, einem stressigen Tag auf der Arbeit kann ich beinahe mehr aus mir herausholen als wenn ich nichts erlebt hätte. Ich laufe mir die Emotionen, die Wut, die Trauer, den Stress von mir ab. Ich nutze diese tiefsitzende Energie, und hole mir vor allem bei einem chaotischen Tag die Kontrolle zurück.
Visualisieren mit VAKOG
Visualisiere Deine Angst. Stelle Dir die Situation, die Dir Sorge bereitet, mit all Deinen Sinnen vor:
V (Visuell) - Sehen: Farben, Details
A (auditiv) – Hören: Geräusche, Stimmen
K (kinästhetisch) – Fühlen, Tasten
O (olfaktorisch) – Riechen (z.B. Schweiß riechen)
G (gustatorisch) – Schmecken
Stelle Dir das Worst-Case-Szenario vor, fühle in Dich hinein. Durchlebe die Situation und lerne so, Ängste und negative Emotionen zu steuern. Du kannst nach der Visualisierung die Situation auch nochmals durchgehen – nur aus der Sicht eines Zuschauers. Was empfindest Du? Empathie? Solidarität? Es kann Dir helfen zu erkennen, dass Du in diesem Worst-Case-Szenario nicht so schlecht dastehen würdest wie Du es Dir ausmalst.
Zerstöre die negativen Emotionen und schreibe positive Gedanken und Handlungen für diese Situation nieder. Ja, aufschreiben kann Wunder bewirken. Dein Gehirn visualisiert Deine Worte, Deine Gedanken für diese Situation. Welche positiven Aspekte kannst Du Dir für Dich ins Gedächtnis rufen, solltest Du in jener Situation sein? Welche positiven Handlungsstränge kannst Du für Dich in Erinnerung rufen? Schreibe Dir ebenfalls Deine Ziele auf, stelle Dir vor, wie Du bspw. über die Ziellinie läufst. Spüre die positiven Emotionen, den Stolz den Du dabei in Dir hast und denke immer wieder daran.
Am Schluss gibt es dann nur noch eines: der Sprung ins kalte Wasser. Du hast alle möglichen Szenarien durchgespielt. Hast für Dich geeignete Strategien zurechtgelegt und für Dich bemerkt: In keiner der Szenarien beginnt die Welt zu zerbrechen. Du erschaffst Dir neue Komfortzonen und erweiterst die aktuelle.
Der Einfluss unseres naheliegenden Umfeldes ist enorm
In einem motivierenden Team zu sein, spornt jeden einzelnen ungemein an. Aber auch für Freizeitsportler ist das naheliegende Umfeld von großer Bedeutung. Trägt unser Umfeld zur Ent- oder Belastung bei? Negative Haltungen können uns in unserer Leistungsfähigkeit schwächen, das haben wir bereits angesprochen. Warum ist das so? Wir neigen dazu, unsere Denkweise der unseres Umfeldes anzupassen. Das kann bereits im Teenageralter eindrücklich beobachtet werden: Rauchen all die Freunde von Jan, ist die Gefahr sehr groß, dass Jan ebenfalls anfängt zu rauchen. Das ist das Gruppenprinzip, das seit jeher beobachtet werden kann.
Jeder Mensch möchte Anerkennung von seinen Mitmenschen, und das ist im Sport ebenso wichtig für die eigene Psychohygiene wie im Privatleben. Um erfolgreich zu sein brauchen wir also ein intaktes Umfeld. Stress im Privatleben nimmt Dir den Fokus und dient als Ablenkungsfaktor. Stabilität und Sicherheit sind jene Eigenschaften, die für uns besonders wichtig werden, wenn wir vor einer großen Herausforderung, wie bspw. dem ersten Marathon stehen. Genauso wie wir uns Unterstützung von unseren Liebsten wünschen, sollten wir auch sie würdigen und in die Beziehungsarbeit gehen. Nur so kann das private Umfeld als Stabilisator der eigenen Fähigkeiten fungieren.
Der Effekt der Entspannung auf unsere Leistung und mentale Stärke
Höchstleistungen zu erbringen funktioniert nur, wenn die Erholung und die Regeneration nicht zu kurz kommen. Das implementiert nicht nur die Superkompensation im physischen Bereich, bei dem die Anpassungsvorgänge innerhalb der Muskulatur aufgrund zu vieler Trainingsreize nicht ausreichend ausgeführt werden können, sondern vor allem unsere psychische Gesundheit. Ziehen wir eine Schraube zu fest, geht das Gewinde zugrunde. Dasselbe passiert in unserem Körper. Wer ständig mehr und mehr will, wird irgendwann zusammenbrechen. Mit zunehmendem Alter verlängern sich Regerationsphasen, der Umgang mit unserem Körper und der Gesundheit sind also enorm wichtig. Zu den gesundheitsfördernden Elementen gehören: ausreichend Schlaf, regelmäßige Bewegung, gesunde und ausgewogene Ernährung, eine positive innere Haltung und die daraus resultierende mentale Stärke.
Mentale Stärke: Stein um Stein, Schweiß und Tränen auf dem Weg zum Ziel
Unser Leben ist durch technische Innovationen und Globalisierung hektisch, stressig und zugleich wahnsinnig fordernd. Zeitdruck und Leistungsdruck sind unsere ständigen Begleiter, egal ob im sportlichen Segment oder im beruflich-privaten. Wir stehen immer wieder vor Herausforderungen, die wir meistern müssen und dürfen – und eben genauso viele Rückschläge und Hürden durchleben wir.
Unsere mentale Stärke ist neben der physischen Gesundheit – natürlich – mehr denn je gefragt. Jeder von uns sollte sich Strategien zurechtlegen, mit denen er am besten umgehen kann. Unsere innere Haltung kann einen großen Unterschied machen, wie wir durch den Alltag kommen.